Waldökosysteme bedecken etwa 30 % der globalen Landfläche und sind entscheidend für die Klimaregulierung, den Wasserkreislauf, die Artenvielfalt, die Holzproduktion sowie das menschliche Wohlbefinden im Allgemeinen. Die wichtige Rolle der Wälder für die Menschheit wird in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen hervorgehoben. Da der anthropogen bedingte Klimawandel zu einer beispiellosen Erwärmung führt, stehen Bäume als langlebige und sesshafte Organismen vor der Herausforderung, sich an diese zunehmend extremen Bedingungen anzupassen.
Obwohl ein globaler Trend hinsichtlich einer abnehmenden Waldgesundheit noch nicht endgültig bestätigt werden konnte, häufen sich die Hinweise, dass heißere und trockenere Bedingungen zu einem vermehrten Absterben von Bäumen führen. Auch Bodenfunktionen, die essenziell sind für Kohlenstoff- und Wasserspeicherung sowie für die Bereitstellung von Nährstoffen sind von der Klimaerwärmung betroffen. Eine verminderte Kohlenstoffaufnahme bis hin zu Kohlenstoffverlusten durch degradierte Wälder und Böden kann die Erderwärmung weiter beschleunigen.
Bisher gibt es noch zu große Lücken in unserem Prozessverständnis, um diese Auswirkungen vollständig zu erfassen, geschweige denn um Managementempfehlungen geben zu können. Daher untersuchen wir Wälder in verschiedenen Kompartimenten (Boden, Baum, Luft) und versuchen deren Reaktion unter unterschiedlichen klimatischen wie auch sozioökonomischen Randbedingungen wie Landnutzungsänderungen und Management-Entscheidungen zu beurteilen.
Experimente: Prozesse und Zusammenhänge
Um ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen von Baum- und Waldreaktionen auf Extremereignisse zu erlangen, untersuchen wir die Stressresistenz von wirtschaftlich und ökologisch wichtigen Arten in unserem Forschungsgewächshaus. Wir untersuchen die metabolischen und hydraulischen Reaktionen der Bäume auf Trockenheit, Hitzestress und auch auf eine Zunahme von atmosphärischem CO2. Dabei werden moderne Online-Messsysteme und die Stabile-Isotopen-Technik eingesetzt. Ein Hauptaugenmerk liegt auf nicht-reversiblen Kipppunkten und der Fähigkeit von Bäumen, sich zu erholen und stressbedingte Schäden zu reparieren.
Darüber hinaus bewerten wir in Feldexperimenten die Auswirkungen verschiedener waldbaulicher Bewirtschaftungstechniken und Baumartenzusammensetzungen auf Bodenfunktionen wie Kohlenstoffaufnahme und Nährstoffbereitstellung.
Beobachtungen: Veränderungen im Wald
Um die Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder direkt zu quantifizieren, analysieren wir Langzeitmessungen des Gasaustauschs von Böden und Ökosystemen und wenden Fernerkundungstechniken an. Zum Beispiel nutzen wir computergestütztes, maschinelles Lernen, um tote Bäume mithilfe von Luftbildern automatisch zu erkennen. Darüber hinaus sind wir aktiv an internationalen Netzwerken beteiligt, die sich mit der Gesundheit der Wälder auf globaler Ebene befassen.
Modellierung: Zukünftige Entwicklung der Wälder
Um der Waldwirtschaft eine Orientierungshilfe zu geben und Kohlenstoffaufnahmeraten von Wäldern abzuschätzen, entwickeln und verwenden wir prozessorientierte Simulationsmodelle. Die Modellentwicklung beinhaltet eine bessere Darstellung von pflanzenhydraulischen Prozessen, Baumsterblichkeit und der Erholung nach Stress. Wir modellieren auch Veränderungen der Nutzung von Wäldern und die zugrundeliegenden Verhaltensweisen von Waldbesitzern, die sich auf Landnutzungsentscheidungen als Reaktion auf klimatische und sozioökonomische Veränderungen auswirken.
Wir verwenden drei verschiedene Modelle:
LandscapeDNDC ist ein zeitlich hoch aufgelöstes Modell, dass explizit verschiedene physiologische Prozesse beschreibt und typischerweise auf der Ökosystem- oder Bestandsskala eingesetzt wird. Die Waldentwicklung wird auf der Basis von arten- und größenspezifischen Pflanzenkohorten dargestellt. In Wäldern können so die Wechselwirkungen zwischen individueller Umwelt, Kohlenstoffaufnahme, Wachstum und Konkurrenz dynamisch berücksichtigt werden. Die meisten der wichtigen mitteleuropäischen Baumarten wurden bereits erfolgreich parametrisiert und Wachstumsreaktionen sowie Stoffflüsse analysiert.
LPJ-GUESS ist ein dynamisches Vegetationsmodell, das auf größeren räumlichen und zeitlichen Skalen angewendet wird. Das Modell kann die Struktur, Zusammensetzung und funktionelle Eigenschaften von Ökosystemen in den Hauptklimazonen der Erde wiedergeben. Mit seiner verlässlichen Darstellung der Wachstumsdynamik unter Berücksichtigung von Einflüssen der Waldbewirtschaftung wird LPJ-GUESS unter anderem für die Abschätzung von Umweltwirkungen auf die Kohlenstoffaufnahme von Wäldern eingesetzt.
CRAFTY ist ein agentenbasiertes Modell der Landnutzungsänderung, das bereits in Europa, Schweden und Großbritannien angewandt wurde um die Rolle von Waldbesitzern bei Entscheidungen über die Nutzung und Bewirtschaftung von Waldflächen zu untersuchen. Das Modell simuliert die Landnutzungsdynamik für eine Reihe von Waldtypen und die Entscheidungsfindung für oder gegen bestimmte Bewirtschaftungsstrategien. Dabei werden Angebot und Nachfrage einer Reihe von Ökosystemleistungen, wie z. B. die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Holz, Kohlenstoffvorräten und Biodiversität, gegeneinander abgewogen.
Erhöhtes CO2 kann die Stressresistenz von semiariden Kiefern nicht verbessern
Kiefernsämlinge aus dem Yatirwald, einer Aleppo-Kiefern-Plantage in der Nähe der Negev-Wüste, Israel, wurden einmal unter heutiger und unter stark erhöhter CO2-Konzentration angezogen. Unter ansonsten optimalen Bedingungen wuchsen die Sämlinge bei höherer CO2-Konzentration schneller, bei Trockenheit und Hitze verschwand dieser Vorteil jedoch. Ab einer Temperatur von 35 °C wurden Sämlinge beider Untersuchungsgruppen zur Kohlenstoffquelle. Außerdem verbesserte erhöhtes CO2 nicht das Überleben der Sämlinge bei Trockenheit. Dies deutet darauf hin, dass erhöhtes atmosphärisches CO2 die physiologische Stressresistenz kaum oder gar nicht verbessert.
Gattmann M, Birami B, Nadal Sala D, Ruehr NK (2021) Dying by drying: Timing of physiological stress thresholds related to tree death is not significantly altered by highly elevated CO2. Plant, Cell & Environment 44 (2):356-370.
Birami B, Nägele T, Gattmann M, Preisler Y, Gast A, Arneth A, Ruehr NK (2020) Hot drought reduces the effects of elevated CO2 on tree water use efficiency and carbon metabolism. New Phytologist 226:1607-1621.
Zusammenhang zwischen Entstehung und Reparatur von Dürreschäden
Bäume haben mehrere Anpassungsmechanismen, um auf Trockenheit zu reagieren. Ein wichtiger Mechanismus, der Wasserverlust und Austrocknung reduziert, ist das Schließen von Spaltöffnungen, kleinen Poren auf den Blättern, durch die Wasser verdunstet und Kohlendioxid aufgenommen wird. Wenn sich der Trockenstress durch gleichzeitigen Hitzestress verschärft, können lebenswichtige Prozesse kritisch beeinträchtigt und die Leitfähigkeit von Bäumen irreversibel geschädigt werden. Sobald die Trockenheit nachlässt, erholen sich so geschädigte Bäume nur langsam oder sterben sogar ab. Die Integration von diesen Erkenntnissen in Modelle bietet einen Weg die Vorhersage von Trockenheit und Stressreaktionen der Wälder zu verbessern.
Ruehr, N., R. Grote, S. Mayr, and A. Arneth (2019), Beyond the extreme: recovery of carbon and water relations in woody plants following heat and drought stress, Tree Physiol., 39(8), 1285–1299.
Nadal-Sala D, Grote R, Birami B, Knüver T, Rehschuh R, Schwarz S, Ruehr NK (accepted) Leaf shedding and non-stomatal limitations of photosynthesis mitigate loss of hydraulic conductance in of Scots pine saplings during severe drought stress. Frontiers in Plant Science.
Die Durchmischung europäischer Buchenwälder mit Nadelbäumen erhöht die Kohlenstoffvorräte im Boden und die damit verbundenen Bodenfunktionen
Europäische Buchenwälder erbringen wichtige Ökosystemleistungen auf marginalen, für die Landwirtschaft kaum geeigneten Böden. Diese Wälder reagieren besonders empfindlich auf Dürreereignisse in einem sich erwärmenden Klima. Die Beimischung von tief wurzelnden Nadelbäumen wie der Weißtanne erhöht nicht nur die Verfügbarkeit von Bodenwasser in Buchenbeständen durch hydraulischen Auftrieb und Umverteilung von Bodenwasser. Darüber hinaus wird die Kohlenstoffbindung erhöht, was zu einer verbesserten Senkenleistung des Bodens für Treibhausgase und zu einer Verbesserung wichtiger Bodenfunktionen führt. Die Durchmischung von Buchenwäldern durch Nadelbäume verbessert also wichtige Ökosystemprozesse und könnte die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegenüber dem Klimawandel erhöhen.
Töchterle P, Yang F, Rehschuh S, Rehschuh Romy, Ruehr NK, Rennenberg H, Dannenmann M (2020) Hydraulic redistribution of water by sliver fir occurs under severe soil drought. Forests, 11(2),162.
Rehschuh S, Fuchs M, Tejedor J, Schäfler-Schmid A, Magh RK, Burzlaff T, Rennenberg H, Dannenmann M (2019) Admixing fir to European beech forests improves the soil GHG balance. Forests 10(3), 213.
Rehschuh S, Jonard M, Wiesmeier M, Rennenberg H, Dannenmann M (2021) Impact of European beech forest diversification on soil organic carbon and total nitrogen – a meta-analysis. Frontiers in Forests and Global Change.
Reaktionen von Stoffflüssen auf sich verändernde Klimabedingungen in strukturierten Wäldern
Klima- und Depositionsbedingungen wirken sich in vielfältiger Weise auf die Physiologie (Photosynthese, Atmung, Wachstum und Seneszenz) von Pflanzen aus. Wie sich Umweltveränderungen tatsächlich auswirken, hängt von den Eigenschaften eines Individuums und seiner Position im Ökosystem ab. Durch die Berücksichtigung dieser Abhängigkeiten kann mit dem LandscapeDNDC Modell der Einfluss verschiedener sich ändernder Umweltfaktoren einzeln bestimmt und die Reaktionen von heutigen und zukünftigen Waldformen analysiert werden. Bisherige Arbeiten haben zum Beispiel gezeigt, dass Wälder, die aus verschiedenen Schichten und/oder Arten bestehen, in der Regel höhere Assimilationsleistungen aufweisen und weniger sensitiv auf Trockenstress reagieren.
Nadal-Sala, D., Grote, R., Birami, B., Lintunen, A., Mammarella, I., Preisler, Y., Rotenberg, E., Salmon, Y., Tatrinov, F., Yakir, D. & Ruehr, N. (2021), Assessing model performance via the most limiting environmental driver (MLED) in two differently stressed pine stands, Ecological Applications 31(4), e02312.
Cade, S. M., Clemitshaw, K. C., Molina-Herrera, S., Grote, R., Haas, E., Wilkinson, M., Morison, J. I. L. & Yamulki, S. (2021), Evaluation of LandscapeDNDC Model Predictions of CO2 and N2O Fluxes from an Oak Forest in SE England, Forests 12(11), 1517.
Dirnböck, T., Kraus, D., Grote, R., Klatt, S., Kobler, J., Schindlbacher, A., Seidl, R., Thom, D. & Kiese, R. (2020), Substantial understory contribution to the C sink of a European temperate mountain forest landscape, Landscape Ecology 35, 483-499.
Die Bedeutung der Bewirtschaftung für die Anpassung der Wälder an den Klimawandel
Die Modellierung des Waldnutzungswandels mit dem CRAFTY-Modell zeigt, dass die Auswirkungen sozioökonomischer Veränderungen oder unterschiedliche Verhaltensweisen der Landbesitzer nicht vernachlässigt werden dürfen, wenn es um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wälder geht. Dabei konnte festgestellt werden, dass eine Bewirtschaftung, die mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt - zum Beispiel sowohl Holzproduktion als auch Erholung bereitstellen möchte - die beste Basis für mögliche Anpassungsreaktionen darstellt. Tatsächlich war der Mix aus verschiedenen Anpassungsstrategien für viele Regionen die beste Möglichkeit, die gewünschten Ökosystemleistungen auch unter veränderten Klimabedingungen zu erfüllen.
Blanco, V., Holzhauer, S., Brown, C., Lagergren, F., Vulturius, G., Lindeskog, M. & Rounsevell, M.D.A. (2017). The effect of forest owner decision-making, climatic change and societal demands on land-use change and ecosystem service provision in Sweden. Ecosystem Services, 23, 174–208.
Blanco, V., Holzhauer, S., Brown, C., Vulturius, G. & Rounsevell, M.D.A. (2017). The importance of socio-ecological system dynamics in understanding adaptation to global change in the forestry sector. Journal of Environmental Management, 196, 36-47.
Weitere Informationen über unsere Forschung finden Sie auf den Webseiten der beteiligten Arbeitsgruppen:
Plant Ecophysiology
Terrestrial Bio-Geo-Chemistry
Global Land Ecosystem Modelling
Land Use Change & Climate Research Group
Arbeitsgruppenleiter "Stabile Isotopen Biogeochemie"
+49 8821 183-127michael dannenmann ∂ kit edu
Links zu externen Partnern, Projekten und weiterführenden Informationen:
- Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology
- KIT-Zentrum Klima und Umwelt
- International Tree Mortality Network
- International Union of Forest Research Organizations
- Institut für Geographie und Geoökologie (IFGG)
- Swiss Forest Lab